Jetzt hat also auch die Bundesregierung reagiert: Nachdem München vorgelegt hat und bereits zum 01.04.2016 eine Prämie für Elektroautos in Höhe von 4.000 Euro eingeführt hat, hat der Bundestag am vergangenen Mittwoch die gleiche Entscheidung für das ganze Land getroffen.
Ziel der Bundesregierung war es ursprünglich bis zum Jahr 2020 rund 1 Millionen Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen. Bis Anfang 2016 sah die Zwischenbilanz jedoch bestenfalls bescheiden aus: Gerade einmal 0,06 Prozent aller rund 45 Millionen Pkw in Deutschland sind ausschließlich mit Strom unterwegs.
Marktanteil gerade einmal 0,29 Prozent
Macht in Zahlen gerade einmal 25.502 Elektroautos. Bei den Hybridautos (werden mit einem Elektro- und einem Verbrennungsmotor betrieben) waren es 0,29 Prozent bzw. in Zahlen 130.365 Hybridautos.1
In vielen Zeitungen gibt es seit Bekanntwerden der Entscheidung der Regierung zahlreiche kritische Stimmen, die den Sinn der Elektro-Auto-Prämie hinterfragen. So schreibt beispielsweise der Münchner Merkur von einem „kapitalem Bock“ der Regierung. Die Entscheidung sei „umweltpolitisch fragwürdig, verteilungspolitisch tief ungerecht und ordnungspolitisch ein Desaster.“2 Laut der Zeitung profitiert von der Entscheidung vor allem die Automobilindsturie.
Zahlreiche Kritische Pressemeinungen
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt „Deutsche Hersteller verdienen jedes Jahr viele Milliarden, sie sind technisch führend und werden im Premiumsegment oft kopiert, aber nicht erreicht: Hier sind sie unbestritten Weltmarktführer.
Als solche müssten sie in der Lage sein, ohne Staatshilfe Elektroautos herzustellen, welche die Bedürfnisse der Kunden befriedigen (…). Außerdem schreibt die Zeitung: „Erst diskreditierten die Hersteller durch Betrug und Trickserei ihre besten Motoren. Dann bettelten sie um die Elektroprämie.“3
Was ist also dran an der Kritik? Ist die Entscheidung der Bundesregierung jetzt positiv oder negativ zu bewerten? Hierzu haben wir die einzelnen Kritikpunkte einmal genauer hinterfragt und spannende Antworten gefunden:
1. Kritikpunkt: Die Entscheidung ist umweltpolitisch fragwürdig
Dieses Argument kann in keinster Weise gelten, da die Entscheidung umweltpolitisch alles andere als fragwürdig ist. Warum? Die Regierung möchte mit ihrer Entscheidung hin zu erneuerbaren Energien bei Autos nicht nur den Ölverbrauch und die damit verbundene Umweltbelastung reduzieren, sondern denkt auch einen Schritt weiter:
Langfristiges Ziel ist es, dass in naher Zukunft Elektroautos zu Hause mit Strom aus den eigenen vier Wänden „betankt“ werden. Hierzu ist es eine entscheidende Voraussetzung, eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach zu haben und Stromspeicher im Keller. Dann wäre jene Betankung nicht nur klima- sondern abgesehen von den Anschaffungskosten auch kostenneutral!
Langfristiges Ziel: Autonome Haushalte
Gerade im Hinblick darauf, dass das Gesetz bereits beschlossen ist, dass ab dem Jahre 2020 alle neu errichteten Wohnhäuser Passiv-Energiehäuser sein müssen mit einem maximalen Wärmebedarf von unter von unter 15 kWh/m²a. Dies bedeutet, dass nur noch rund ein Zehntel der Energiekosten konventioneller Gebäude benötigt werden.
Auf das Argument hin, dass nicht jeder eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat oder sich leisten kann, sei erwidert: In naher Zukunft wird es für jeden dauerhaft teurer sein, keine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu haben, als sich eine solche anzuschaffen.
Denn wenn wir dauerhaft den Strom über die Energieversorger kaufen werden statt ihn selbst zu produzieren, werden die Stromkosten über 20 Jahre hochgerechnet teurer sein, als die Anschaffungskosten für die Photovoltaikanlage und den Stromspeicher zusammen.
Kosten für Photovoltaik und Stromspeicher sinken
Bedenkt man, dass die Preise für jene Solarmodule trotz steigender Leistungsfähigkeit in beeindruckender Manier immer weiter sinken, sollte es nicht mehr lange dauern, bis es für jedermann ein lohnendes Geschäft ist, eine PV-Anlage auf dem heimischen Dach zu haben. Führende Banken und Analysten gehen davon aus, dass die aktuell ohnehin schon verhältnismäßig niedrigen Preise innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahr um weitere 40 Prozent sinken werden.4
Die Entwicklung der Stromspeicher ist ähnlich. Bis 2020 werden diese Kosten getreu der Einschätzung führender Experten um bis zu 45 Prozent günstiger sein, bis 2025 sogar um bis zu 70 Prozent, als sie es heute sind. Damit ist dem Kostenargument für die Kombination Elektroauto-Photovoltaik-Stromspeicher dauerhaft der Wind aus den Segeln genommen.5
Kostenargument gilt nicht
Und genau aus jenen Gründen ist die Entscheidung zur Elektroauto-Prämie umweltpolitisch auch nachhaltiger gedacht, als viele Menschen zu glauben vermögen.
2. Kritikpunkt: Elektroautos lohnen sich nicht, sie sind viel zu teuer bei viel zu geringer Reichweite
Das mag auf die aktuellen deutschen Modelle zu treffen, wie es sich am Beispiel des viertürigen VW e-Golf gut darstellen lässt: Dieser kostet in der Grundausstattung 34.900 Euro. Dagegen kostet ein ähnlich motorisierter Golf, der mit Benzin fährt, in vergleichbarer Ausstattung nur ab 23.250 Euro. 11.000 Euro Preisunterschied und eine wesentlich geringere Tankreichweite von gerade einmal rund 150 Kilometern lassen auch 4.000 Euro Anschaffungsprämie nur als geringen Kaufanreiz erscheinen.6
Tesla als Vorreiter
Von der Reichweite her führend, sind die amerikanischen Tesla-Modelle. Diese kosten jedoch ab 70.000 Euro aufwärts. Da jedoch nur Elektroautos mit Listenpreise bis zu 60.000 Euro die Prämie erhalten, fallen die aktuellen Tesla-Modelle aus der Liste der geförderten Fahrzeuge.
Anders würde es jedoch mit Teslas neuestem Modell aussehen, welches bereits bestellbar ist und Ende 2017 auf den Markt kommen soll: Das Modell 3 wurde vor gut vier Wochen von Teslas CEO Elon Musk der Weltöffentlichtkeit vorgestellt.
350 Kilometer Reichweite
Das Besondere an jenem Modell ist, dass es eine rekordverdächtige Reichweite für Elektroautos von rund 350 Kilometern schaffen soll. Der Preis hierfür soll vor Abzug der staatlichen Subventionen bei 35.000 Euro liegen, wodurch es sowohl in das Förderschema passt als auch mainstream-geeignet wäre. Zieht man die subventionierte Kaufprämie in Höhe der 4.000 Euro noch ab, läge man nur noch bei 31.000 Euro Kaufpreis, was die ohnehin schon lohnenswerte Rechnung noch attraktiver macht.
Zwar soll das Modell erst Ende 2017 erscheinen, jedoch liegen bis heute bereits fast 400.000 Vorbestellungen vor, so dass Tesla zugetraut wird, den großen Durchbruch auf dem Automobilmarkt für Elektroautos zu erreichen. Was für die einen gut ist, muss nicht für alle gut sein. Denn dieser Durchbruch hätte das große Potenzial den Automobilmarkt zu revolutionieren. Wie, das erfahren Sie im 3. Kritikpunkt!
3. Kritikpunkt: Deutsche Hersteller verdienen jedes Jahr viele Milliarden, sie sind technisch führend und werden im Premiumsegment oft kopiert, aber nicht erreicht.
Die Prämisse „made in Germany“ galt viele, viele Jahre in der Automobilindustrie als unangetastet. Jedoch setzt mit Tesla ein verhältnismäßig junges Unternehmen den arrivierten Fahrzeugherstellern mit seinen zahlreichen Innovationen derart zu, dass ihm zugetraut wird, jene führende Kräfte im Premiumsegment arg in Bedrängnis zu bringen. Man spricht bereits vom „Apple der Automobilindustrie“.
Kein deutscher Hersteller schafft es bislang Elektroautos zu produzieren, die auch nur annähernd mit der Reichweite der Tesla-Modelle mithalten können. Demnach ist Tesla in dem Bereich der Elektroautos den deutschen Unternehmen ein großes Stück voraus. Und genau aus diesem Grund ist die Elektroautoprämie nicht nur für die deutschen Verbraucher gut, sondern auch für die deutschen Hersteller sowie deren Arbeitsplätze.
Gefahr für deutsche Automobilindustrie
Warum das? In der deutschen Automobilindustrie sind rund 750.000 Arbeitskräfte beschäftigt. Rechnet man die Arbeitsplätze hinzu, die direkt oder indirekt von der Automobilbranche abhängig sind, kommt man auf etwa 1,8 Millionen. Das entspricht einem Anteil von 6,4 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen.7
Angenommen ausländische Hersteller wie Tesla schaffen es, ihre Elektroautos wesentlich früher mainstream-fähig zu machen, als die deutschen Hersteller, kann sich jeder ausmalen, was dies für die Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindsturie bedeutet.
Umsatzeinbußen durch Tesla befürchtet
Tesla hat bis heute alleine für sein neuestes Modell 3 bereits fast 400.000 Vorbestellungen vorliegen, was einem Auftragsvolumen von über 12 Milliarden Euro entspricht. 12 Milliarden Euro, die an den deutschen Fahrzeugherstellern vorbei gehen werden und womöglich noch einige weitere Milliarden nach sich ziehen werden, wenn die deutschen Hersteller nicht bald den Anschluss schaffen.
Daher ist der Kritikpunkt, dass mit der Prämie die Fehlleistung der deutschen Hersteller subventioniert werden, zwar völlig richtig. Jedoch wäre es womöglich für die Bundesregierung wesentlich teurer, wenn das Steckenpferd der deutschen Wirtschaft, die Automobilindustrie, dauerhaft von Tesla und Co. überholt werden. Gemessen an den Kosten eines daraus resultierenden Arbeitsplatzabbaus sind die Kosten für die Elektroautos nur ein Klacks und allemal einen Versuch wert, der hiesigen (Elektro-)Autobranche auf die Beine zu helfen.
Einzelnachweis und weiterführende Informationen: